Mein Sternenkind Jonah

Die unbeschwerte Zeit mit euch

Ich hatte eine wunderschöne Schwangerschaft mit meinen Zwillingsjungs Jonah und Mathis. Mir ging es die ganze Zeit super gut und wir konnten viele schöne gemeinsame Erinnerungen schaffen: von unserer freien Trauung über die Flitterwochen auf Fuerteventura bis hin zum Kinderwagen- & Babyzimmerkauf. Wir waren voller Vorfreude auf euch und konnten es kaum erwarten, bis ihr bei uns seid.

Plötzlich war alles anders

Ich war in der 22+5. SSW, als ich mit Bauchschmerzen aufgewacht bin. Ich war 2 Tage zuvor noch bei meinem Gynäkologen und dieser bestätigte mir, dass alles super ausschaut. Beide Jungs sind zeitgerecht entwickelt, gleich groß und gesund, daher machte ich mir keine großen Gedanken. Als ich zur Mittagszeit aber immer stärker werdende Bauchschmerzen mit Durchfall bekam, beschlossen wir doch ins Krankenhaus zu fahren. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich immer noch, es sei ein lapidarer Magen-Darm-Infekt. Wir entschieden uns dann auf halber Strecke, nicht zur nächsten Level 1 Klinik zu fahren, sondern zu dem näher gelegenen Krankenhaus ohne Kinderklinik. Im Kreißsaal angekommen, habe ich vor Schmerzen geschrien, dass mir doch jemand helfen soll. Die Hebamme sagte, ich sollte mich beruhigen, wir müssen noch kurz Geduld haben, der Arzt kommt gleich. Wir wurden überhaupt nicht ernst genommen. Auf dem Untersuchungsstuhl ging dann alles Knall auf Fall und er sagte den Satz, den wir niemals mehr vergessen werden „Die Kinder kommen JETZT“.

Eure Geburt

Ab diesem Moment stand unsere bisher heile Welt der Vorfreude auf unsere Jungs still … Es fühlte sich an wie ein Albtraum, aus dem man hoffentlich ganz bald wieder aufwacht. Schnell wurden wir in den Kreißsaal gebracht. 5 Minuten später kam unser erster Sohn zur Welt. 15 Minuten später wurde auch unser zweiter Sohn geboren. Während der Geburt von ihm telefonierte die Hebamme bereits mit der nächstgelegenen Kinderklinik und forderte Hilfe an. Kurz nach der Geburt von unserem zweiten Sohn kam das Team der Kinderklinik mit dem Rettungswagen! Die ganze Zeit während dem Warten mussten wir Aussagen der örtlichen Ärzte wie: „Die sind aber noch klein“, „Jetzt muss ich einen Nabelvenen-Katheter legen, das habe ich ja noch nie gemacht“ ertragen. Keiner sprach mit uns direkt. Wir lagen im gleichen Zimmer und doch waren wir allein.

Die leitende Ärztin der Kinderklinik kam in den Raum und schrie: „Was macht die Mutter noch mit im Raum hier. Alle raus hier“. Wir wurden in ein separates Zimmer gebracht. Es fühlte sich so unreal an. Sie erklärten uns, die Überlebenschance ist in solch einer frühen Schwangerschaftswoche plus Geburt außerhalb einer Level 1 Klinik verschwindend klein. Sie liegt bei ca. 1 %. Sie machten uns wenig Hoffnung. Nachdem unsere Jungs transportbereit waren, wurde ich in meinem Bett auf den Flur gefahren und durfte meine Hand noch einmal auf sie legen. Dann ging es los in die Kinderklinik. Mein Mann fuhr mit dem eigenen Auto hinterher.

Nach 2 Stunden kam der Anruf der Kinderklinik, ich solle schnellstmöglich kommen, es sehe nicht gut aus. Auf der Intensivstation angekommen, wurde ich in das Zimmer der Jungs geführt. Da saß mein Mann, ein kleines Bündel Mensch im Arm: unser Jonah. Wie kann man Freude und Trauer zugleich fühlen? Ich nahm Jonah in meine Arme, angeschlossen an unfassbar viele Kabel und Schläuche. Der Oberarzt kam zu uns und sagte: „Jonah wird jetzt sterben, wir können leider nichts mehr für ihn machen“. Da saß ich nun, hatte meinen kleinen, 500 g schweren Sohn im Arm und wusste, das wird das letzte und einzige Mal sein, dass ich dich lebend halten und küssen kann. Ich sprach zu ihm und erklärte, er kann jetzt gehen, seine Mama ist da. 5 Minuten nach meiner Ankunft schlief er in meinen Armen ein.

Wir wurden in ein Nebenzimmer gebracht, um uns in aller Ruhe von ihm verabschieden zu können. Die Schwester, die Jonah bereits abgeholt hatte, war unfassbar liebevoll und einfühlend und begleitete uns die ganze Zeit. Sie hat Jonah mit uns gemeinsam gemessen, gewogen und einen Fußabdruck gemacht: 490 g, 28 cm groß und 20 cm Kopfumfang. Auch Fotos hat sie gemacht. 3 Tage nach dem Tod von Jonah haben wir uns nochmal von ihm verabschiedet, bevor unsere Bestatterin ihn mitgenommen hat. Das hat mir unfassbar viel gegeben. Ich konnte ihn ein weiteres Mal halten und ein letztes Mal küssen.

Die Zeit danach

Jonah, geboren und gestorben am 8.7.2018. Der Grund der Frühgeburt konnte nicht festgestellt werden. Jonah war gesund. Mathis hat sich 121 Tage auf der Intensivstation ins Leben gekämpft. Er war stark für zwei. Wir konnten anfangs nie in dieses tiefe Loch der Trauer fallen, da wir durch Mathis immer jemanden hatten, für den wir stark sein wollten. Am Abend, wenn wir zu Hause waren, brach oft alles über mich herein. Der richtige Trauerprozess war bei mir jedoch zeitversetzt und begann, als wir am 6.11.18 Mathis aus dem Krankenhaus mit nach Hause nehmen durften. Jeder hat seine Trigger, die einen immer wieder in ein kleines Loch der Trauer werfen, meiner sind andere Zwillinge. Allein der Anblick oder das Erzählen davon schmerzt mir in der Brust … Weil wir ohne unseren Jonah leben müssen, aber vor allem, weil Mathis ohne seinen Bruder leben muss. Ich war sehr froh, als Jenny dann 2019 die Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen hat und ich regelmäßig zu den Treffen gehen konnte.

Das möchte ich besonders hervorheben oder das hätte ich gerne anders gehabt

Wir sind der Intensivstation der Kinderklinik in Aschaffenburg besonders dankbar für ihre liebevolle Hingabe für unsere Jungs und auch unserer Bestatterin, die nochmal viele Fotos gemacht hat und uns alle Zeit der Welt für die Beerdigung eingeräumt hat. So durfte die Urne von Jonah über 2 Monate bei ihr stehen, bis wir wussten „Mathis wird es schaffen“ und wir Kraft für die Beerdigung hatten. In der Klinik, in der die Jungs geboren wurden, lief so einiges „schief“. Ich hätte mir von er Geburtsklinik vor allem mehr Einfühlungsvermögen gewünscht. Was ich auch noch sehr bereue ist, dass wir das Angebot des Sternenfotografen nicht in Anspruch genommen haben. Wir haben zwar schöne Bilder von Jonah, allerdings wurden diese eben nicht professionell von einem Fotografen gemacht und es bleiben eben nur diese paar Momente mit unseren Kindern. Das sind die ersten und einzigen Fotos, die es jemals geben wird.