Die unbeschwerte Zeit mit Dir
Es war wie in einem Traum. Der erste Versuch im Kinderwunschzentrum. Ohne Erwartungen bin ich in diesen Versuch gestartet und wir hatten Glück. Das Blutergebnis war positiv. Zwei Wochen später hatten wir den ersten Ultralschaltermin im Kinderwunschzentrum und es war das schönste Gefühl, ein schlagendes Herzchen zu sehen. Der Traum wurde wahr, es hatte geklappt. Die Freude bei meinem Mann und mir war unfassbar groß. Ich schwor mir jeden Tag mit meinem Engelchen zu genießen. Jeder Tag der ohne Blutung verging, freute ich mich mehr. Jede Woche mit Wochenwechsel, freute ich mich mehr. Bei meinem ersten Frauenarzttermin, bekam ich meinen Mutterpass und das zweite Bild.
Plötzlich war alles anders
Es war der 20.8.2019. Ein normaler Arbeitstag. Nach der Arbeit habe ich noch den Geburtstag meiner besten Freundin gefeiert. Ich war an dem Tag in der 10+6 Schwangerschaftswoche. Der Tag war toll. Als ich abends so gegen 19:30 Uhr nach Hause kam und auf die Toilette ging, war etwas komisch. Ich hatte ein klein bisschen Blut, eigentlich nicht der Rede wert. Ich rief eine sehr gute Freundin an, die selber Mutter war und die mich beruhigte. Sie meinte es könne vom Wochenwechsel kommen ich solle mir keine Gedanken machen, sie hätte das auch zu dem Zeitpunkt gehabt. Sie kennt mich jedoch und meinte im gleichen Zug: „Wenn du Gewissheit haben möchtest, fahr in die Notaufnahme und lass per Ultraschall checken das alles gut ist.“ Gesagt getan. Ich fuhr in die Notaufnahme um sicher zu gehen, dass mit unserem Engelchen alles gut ist. Ich wurde sofort bei der Aufnahme auf die Gynäkologie geschickt. Nach ein paar Minuten kam auch schon die Ärztin und machte einen Ultraschall. Nach einer gefühlten Ewigkeit, kam der Satz, der sich anfühlte wie ein Schlag ins Gesicht: „Es tut mir leid, ihnen mitteilen zu müssen, dass ich keinen Herzschlag mehr finde.“ Ich war fertig, ich konnte es nicht glauben was ich da hörte, ich wollte nur zu meinem Mann, der zu dem Zeitpunkt noch arbeiten musste. Ich wollte nur nach Hause und wollte dass alles nur ein böser Traum ist und mit unserem Engelchen alles gut ist. Am nächsten Morgen gingen mein Mann und ich direkt zu meiner Frauenärztin. Hier gab es die nächste schlechte Nachricht. „Frau Wohlmann, es ist kein Herzschlag da und ihr kleines hat sich schon angefangen aufzulösen. Wenn sie zwei Tage später, zu ihrem normalen Ultraschall gekommen wären, wäre nichts mehr Sichtbares zu erkennen gewesen.“ Auf dem Ultraschall war unser Engelchen bereits nur noch leicht sichtbar. Die Ärztin erklärte uns, das dies eine „gemeine“ Form des Verlustes ist ohne Blutung. Hierbei wird der Embryo vom Körper „aufgelöst“. Da meine Ärztin mich kennt, bot sie mir sofort eine Ausschabung an, da eine kleine Geburt daheim, für mich nichts ist. Ich habe ihr zugestimmt und einen Termin im Krankenhaus zur Ausschabung gemacht.
Deine Geburt
Eine Geburt in dem Sinne hatte ich durch deine Auflösung im Körper nicht. Für mich war es der Gedanke, die „Wohnung“ die mein Engelchen bewohnt hat muss leider „renoviert“ werden. Als wir von unserer Frauenärztin nach Hause kamen, kam durch unser Dachfenster eine Feder geflogen. Dies ist in den ganzen Jahren seit wir hier wohnen noch nicht passiert. Ich fing diese Feder am Fenster auf und lies diese wieder in den Himmel fliegen. Somit bist du für mich weggeflogen und ich wusste ich mache mir der „Wohnungsrenovierung“ nichts falsch. Bereits zwei Tage später hatten wir ein Vorabgespräch im Krankenhaus zur Ausschabung. Die Stationsärztin war hier bei der Besprechung nicht alleine. Sie hatte einen Assistenzarzt dabei, dem sie alles erklärte. Nachdem sie mit dem Ultraschall noch mal „geprüft“ hat, das wirklich kein Herzschlag zu erkennen ist, wurde dem Assistenzarzt der Ultraschall übergeben mit dem Argument, er solle sich meine Gebärmutter selber anschauen, so sehe es aus, wenn man ein Fötus verliert. Das ich mit den Nerven seit der Bekanntgabe der Diagnose am Ende war und nicht wusste, als Erstschwangere, was auf mich zukommt, wurde hier nicht beachtet. Während der Assistenzarzt per Ultraschall in mir „rumstocherte“ (das war nicht angenehm) druckte die Ärztin mehrere Papiere aus und kreuzte verschiedene Sachen an, ohne diese mit mir abzusprechen. Die Papiere wurden mir vorgelegt mit dem Argument ich müsse diese nur noch unterschreiben. Wie ich bereits gesagt hatte, ich war mit den Nerven am Ende und schaute mir die Papiere nicht an, oder fragte die Ärztin was dies ist. Im Nachgang habe ich gesehen, dass hier auch ein automatisches Kreuz unter „Sammelbegräbnis“ gesetzt wurde. Erst durch die Gruppe lernte ich, dass auch ich mit einem 10+6 Wochen alten Sternenkind ein Einzelbegräbnis hätte machen können. Nachdem ich mit dem „offiziellen“ Teil durch war und der OP Termin feststand, bekam ich noch zwei Tabletten mit nach Hause, die ich zu einer bestimmten Uhrzeit am OP Tag nehmen musste. Die Ausschabung fand ambulant statt. Nachdem ich am OP Tag ankam und mich vorgestellt habe, hatte ich eine sehr nette Krankenpflegerin, die mir, bei meiner Situation ein Einzelzimmer gab. Hier durfte auch mein Mann dabei sein, obwohl dies nicht offiziell erlaubt war. Mein Mann konnte somit die ganze Zeit an meiner Seite bleiben. Da sich meine Ausschabung von der Uhrzeit nach hinten verschoben hatte, wirkten die Tabletten und ich hatte bereits im Zimmer meine kleine Geburt. Bewusst, das ich eine kleine Geburt hatte, wurde mir erst später. Die Ausschabung habe ich nur gut überwunden, da ich wusste unser kleines Engelchen hatte bereits die „Wohnung“ verlassen.
Die Zeit danach
Da die „Wohnung“ von unserem Engelchen in einem Sammelgrab ist, habe ich für mich ein Gedenkort, auf dem Friedhof bei meinem Schwiegervater, gefunden. Hier stellen wir eine Kerze, Figuren oder auch Blumen für unser Engelchen dazu. Wir wissen somit unser Engelchen ist bei meinem Schwiegervater und meinem Opa in der Mitte. Dadurch dass ich die Feder am Fenster in die Hände erhalten habe und loslassen konnte, begegnet uns somit unser Engelchen immer wieder als Feder und zeigt mir den Weg. Für mich und meinem Mann war es wichtig mit Gleichgesinnten zusammen zu kommen um über das Geschehene zu sprechen. Deshalb war es für uns so gut die Selbsthilfegruppe zu besuchen und zu sprechen. Es ist ein Teil vom Leben, das wir ein Sternenkind haben und das begleitet uns.
Das möchte ich besonders hervorheben oder das hätte ich gerne anders gehabt
Ich hätte mir mehr „Einfühlsamkeit“ der Ärzte gewünscht. Für mich war es die erste Schwangerschaft und der erste Verlust. Ich wusste gar nicht was aufs mich zu kommt. Weder wusste ich nicht was die Unterlagen bedeuten, die ich unterschreiben musste, noch was die Tabletten mit mir machen. Es wurde mit mir, wie ein „Altagsgegenstand“ umgegangen. Für Ärzte ist dies ein „normaler“ Ablauf, aber für die Eltern nicht. Hier gehört mehr Aufklärungsarbeiten gegenüber den Eltern geleistet. Auch ist es wichtig ärztliche Diagnosen nach hinten zu stellen, für uns Eltern sind wir Mütter schwanger mit einem Kind und nicht mit einem Fötus. Bei dem Thema Sternenkind sehe ich ein großes Aufklärungspotenzial um das Thema präsenter zu machen.