Die unbeschwerte Zeit mit Dir
Wir wollten immer schon eine große Familie und waren überglücklich, dass es dieses Mal gleich auf Anhieb klappte und ich mit dir – unserem dritten Wunschkind, schwanger war. Unsere beiden großen Mädels, damals 7 und 4 Jahre alt, waren natürlich aus dem Häuschen und sehr stolz, dass sie bald große Schwestern werden würden.
Plötzlich war alles anders
Nach einer bis dahin komplikationslosen Schwangerschaft wurde ich von meiner damaligen Frauenärztin in der 19. SSW, aufgrund meines Alters von 35 Jahren, zur Feindiagnostik überwiesen. Am Termin witzelten die Ärztin und ich noch über die Routineuntersuchung, da 35 ja noch kein Alter sei. Nachdem sie mit dem Ultraschall begonnen hatte, wurde sie jedoch sehr schnell sehr ruhig und verhalten. Nach einer gefühlten Ewigkeit Stille sagte sie den Satz, der unser Leben veränderte: „Ich sehe da eine Auffälligkeit am Herz und Hirn ihrer Tochter!“ Die Welt stand für ein paar Sekunden still. Dann erklärte sie alles sehr genau und ausführlich und schloss die Untersuchung ab. Ihre erste Diagnose lautete „Dandy-Walker Syndrom“ und sie bat mich, eine Fruchtwasseruntersuchung durchführen zu lassen, welche ich auch gleich anschließend hatte. Mit dem Unwissen, was mit dir ist, wurde ich nach Hause entlassen, wo zwei Kleinkinder freudig auf mich warteten und ich für mein Umfeld weiterhin die „glückliche Schwangere“ mimte. Nach drei Tagen kamen die Ergebnisse des FISH-Schnelltests, welche aber alle negativ waren. Einige Tage später wurden wir wieder zur Kontrolle in das KH bestellt – leider konnte die Ärztin die Diagnose wieder nur bestätigen. Auch das Thema „Schwangerschaftsabbruch“ stand nun im Raum, da die Chance, dass du nach der Geburt leben würdest, sehr gering war und man in dieser SSW keine lebenserhaltenden Maßnahmen einleiten würde. Ein Termin in einer Uniklinik für eine Zweitmeinung wurde vereinbart (den ich nicht mehr wahrnahm) und wir sollten in einer Woche wieder kommen. Nach einigen Tagen rief die Ärztin an und überbrachte uns die restlichen Ergebnisse der Fruchtwasseruntersuchung: Du hast mehrere schwere chromosonale Defekte (Deletionssyndrom 1p36) und wirst die Geburt vermutlich nicht überleben
Deine Geburt
Nach drei Wochen, die wir emotional durch die Hölle gingen, begaben wir uns am 03.05.2018 ins Krankenhaus, um deine Geburt einleiten zu lassen. Beim abschließenden Ultraschall hatten wir die Gewissheit: du bist alleine gegangen, denn dein Herz hatte bereits aufgehört zu schlagen. Nach 8 Stunden Wehen wurdest du in der 22. Schwangerschaftswoche am Morgen des 04.05.2018 still geboren. Die Hebammen im Krankenhaus waren toll und trotz des Stresses mehrerer Geburten parallel, hatten sie immer Zeit für uns. Mir ging es nicht gut, ich war vollgepumpt mit vielen Schmerzmitteln und die Geburt dauerte doch sehr lange, was natürlich vor allem psychisch eine Tortur war. Nachdem du auf der Welt warst, wurdest du erst einmal von der Hebamme gewaschen und in dein – von mir noch schnell genähtes – Einschlagdeckchen gewickelt. Die Hebamme sagte mir vorher, dass sie dich erst einmal zu sich nimmt um mich auf evtl. Fehlbildungen vorzubereiten. Du warst aber perfekt – von den Fingernägeln bis zum Grübchen auf der Stirn. Leider lehnten wir es ab, den Sternenkind-Fotografen holen zu lassen, eine Tatsache die ich bis heute bereue, da die Bilder, die wir gemacht haben, sicher nicht so schön sind, wie die der „Profis“. Wir bekamen viel Zeit und jeder respektierte unsere Situation. Anschließend kam ich noch einmal kurz auf die Gyn-Station, durfte aber schon bald darauf nach Hause.
Die Zeit danach
Da wir drei Wochen hatten, uns darauf vorzubereiten, dass wir Leona nicht nach 40 Schwangerschaftswochen mit nach Hause nehmen konnten, hat uns ihr Tod nicht überrascht. Dennoch hätte ich mir in diesen drei Wochen gewünscht, Hilfe von außen zu bekommen. Sehr enttäuscht war ich von meiner Nachsorge-Hebamme (welche mich auch bei meinen beiden großen Kindern betreut hat). Als ich ihr schrieb, was passiert ist, kam nur als Antwort, dass die Natur sich wohl anders entschieden hat. Auch dass wir nicht die Chance hatten, uns intensiv mit dem Thema „Beerdigung“ auseinander zu setzen, bedauere ich bis heute. Wir nutzen die Chance, eine Mutter-Kind Kur zu machen, welche spezialisiert auf Kindsverlust war. Ich hätte gerne früher von meinem Verlust geredet und ihn in mein Leben integriert. So wäre es für mein Umfeld auch einfacher gewesen, damit klar zu kommen. Mein Mann und ich waren meist sehr allein mit unserer Trauer.
Das möchte ich besonders hervorheben oder das hätte ich gerne anders gehabt
Die Chance, den Sternenkind-Fotografen zu nutzen hätte ich gerne wahrgenommen. Außerdem wäre es sehr hilfreich gewesen, jemanden als Ansprechpartner gehabt zu haben, der mich z.B. über das Thema „Beerdigung“, „Stammbuch“, „Rückbildungskurs“ aufklärt – all diese Dinge sind an mir vorbei gegangen. Das Krankenhaus, in dem ich entbunden habe, war sehr gut auf stille Geburten vorbereitet, die Hebammen waren sehr feinfühlig und gingen zu 100% auf uns ein.