Die unbeschwerte Zeit mit Dir
Die unbeschwerte Zeit mit dir, Valentin war leider nur sehr kurz. Wir wussten bereits ab dem ersten Ultraschall (9. SSW), dass etwas nicht stimmte. Zunächst nur ein Verdacht – die Frauenärztin konnte eine sehr auffällige Nackenfalte sehen –, der etwas später bei einem Ultraschall bei der Pränataldiagnostik in der 12. SSW bestätigt wurde.
Plötzlich war alles anders
Irgendeine Trisomie würde dir den Start sehr viel schwerer oder gar unmöglich machen. Letztendlich wurde diese Diagnostik durch eine Fruchtwasseruntersuchung in der 20. SSW bestätigt. Du hattest eine Trisomie 18 und bereits jetzt konnten im Ultraschall massive Organfehlbildungen festgestellt werden. Trotz dieser Feststellungen und der Prognose „nicht lebensfähig“ (wir sagen gerne: stark lebensverkürzend, denn du lebtest ja – in mir), haben wir uns gegen einen Abbruch der Schwangerschaft und für ein Weitertragen entschieden. Du solltest selbst entscheiden, wann deine Kraft nicht mehr reicht. Du warst insgesamt 36 Wochen bei uns. Dann hörte dein Herz unbemerkt auf zu schlagen.
Deine Geburt
Etwa eine Woche später hatte ich einen Blasensprung. Eher einen Riss, denn ich verlor Fruchtwasser. Das Zeichen, dass wir ins Krankenhaus gehen sollten. Als wir dort waren, wurde auch gleich beim Ultraschall festgestellt, dass du bereits gestorben warst. Wann konnte niemand genau sagen. Für diesen Fall war im Klinikum Aschaffenburg bereits alles besprochen und so wurde ein Gel zur Einleitung gelegt. Es dauerte noch bis zum nächsten Tag, dass die Wehen einsetzten. Wir wurden durchgehend im Kreißsaal betreut. Mindestens eine Hebamme oder eine Hebammenschülerin war immer da und hat uns viele Fragen beantwortet.
Irgendwann setzte ein Wehensturm ein und ich bekam eine PDA. Noch nie in meinem Leben war ich einem Arzt so dankbar wie diesem Anästhesisten. Dann war es so weit: Ich spürte deinen Fuß zuerst. Durch deine geringe Körpergröße und -gewicht und der Tatsache, dass du nicht selbst mithelfen konntest, hast du dich noch während der Geburt gedreht. Du wurdest am 28.10.2016 um 14:18 still geboren. Du wurdest uns sofort in den Arm gelegt und wir waren zunächst erschrocken. Du warst mit Sicherheit bereits eine Woche tot, – das hat man gesehen. Wir haben geweint.
Die Hebammen haben dich angezogen, vermessen und uns genau beschrieben, was sie sehen. Sie haben dich in eine Decke gewickelt, die ich während der Schwangerschaft für dich gestrickt habe. Dann warst du bei uns. Es kam eine Seelsorgerin, die eine kleine Segnungsfeier noch im Kreißsaal mit uns und den Hebammen gefeiert hat. Danach kamen wir auf ein Zimmer. Es war eine besondere Station, bei der keine der anderen Mütter ein Baby direkt bei sich hatte. Wir waren dort zu dritt. Irgendwann kam die Sternenkindfotografin und hat Bilder von dir gemacht. Dafür sind wir sehr dankbar. Dann hatten wir das Gefühl, dass es Zeit ist, dich gehen zu lassen. Eine sehr freundliche Krankenschwester hat dich mitgenommen. Wir haben dich dann nicht mehr gesehen. Das war aber in Ordnung so. Einen Tag später sind wir nach Hause zu unserem älteren Sohn.
Die Zeit danach
Wir hatten bereits die gesamte Schwangerschaft Zeit, uns damit auseinanderzusetzen, dass wir eine Beerdigung und keine Taufe vorzubereiten hatten. Durch die Entscheidung, die Schwangerschaft nicht vorzeitig zu beenden, sondern den Tod selbst kommen zu lassen, wurde uns viel Zeit für die Vorbereitung und Verarbeitung geschenkt. Wir sind nicht unvorbereitet in die Trauer gegangen. Wir hatten bereits einen Grabplatz ausgewählt, eine Bestatterin gefunden und mit einem befreundeten Pfarrer die Feier vorbereitet. Das Einzige, was nie klar war, war das Wann. Ziemlich gleich nach der Beerdigung sind wir ein paar Tage weggefahren und haben auch da beschlossen, dass wir eine große Fahrt brauchen, um wieder im Leben ankommen zu können. Wir haben im November dann eine große Reise nach Australien gebucht. Für den Januar. 2 ½ Monate nach der Beerdigung waren wir für 4 Wochen mit dem Camper im australischen Hochsommer unterwegs. Die beste Entscheidung für uns als Familie, die wir treffen konnten. Auch wenn es verrückt erschien.
Das möchte ich besonders hervorheben oder das hätte ich gerne anders gehabt
Rückblickend können wir gar nicht sagen, dass wir irgendetwas anders gehabt hätten. Wir fühlten uns rund herum gut von den Ärzten betreut, – niemand hat uns etwas Weichgespültes gesagt. Es wurde immer gesagt, wie es wirklich um Valentin steht und somit haben wir uns zu keiner Zeit falsche Hoffnungen gemacht. Natürlich haben wir gehofft, dass sie sich alle irren und darum gebeten, aus dem Traum zu erwachen. Dennoch wurden uns nie Hoffnung gemacht, wo keine war. Niemand hat uns zu einer Entscheidung gedrängt. Es gab sogar noch eine Konferenz mit verschiedenen Ärzten, mit denen wir vor der Geburt beraten haben, was für Valentin palliativ getan werden kann, sollte er wider Erwarten doch lebend geboren werden.
Wir hatten von Anfang an eine Hebamme an der Seite, die unsere Entscheidung gestützt hat und uns alle Fragen beantwortet hat, soweit sie es konnte. Wir hatten einen Diabetologen, der mich so behandelt hat wie alle, die mit einer Schwangerschaftsdiabetes kommen und mich Ernst genommen in meinen Belangen. Wir hatten mindestens zwei sehr großartige Gesprächspartnerinnen, die selbst Sternenmamas sind – sie hatten jederzeit ein offenes Ohr und haben vor allem mich durch diese Zeit der Schwangerschaft getragen. Dafür werde ich ihnen auf ewig dankbar sein. Weil bei uns alles so gut gelaufen ist (wie es in so einem Fall laufen kann), habe ich die Kraft gefunden, für andere in dieser Situation da zu sein. Valentins kurzes Leben und Tod sollten nicht sinnlos sein. Deshalb konnte ich die Selbsthilfegruppe gründen und später dann den Verein mit vielen anderen großartigen Menschen auf den Weg bringen. Niemand sollte den Verlust des eigenen Kindes allein durchstehen müssen. Das ist sein Vermächtnis.